Alltagsdeutsch:Adventskalender in der DDR

   2022-12-12 德语听力网5660
核心提示:In der ehemaligen DDR war er nicht gern gesehen: der Kalender, der Kindern die Wartezeit bis Heiligabend verkrzen soll. Nur ganz wenige Verlage durften Adventskalender produzierenmglichst ohne christliche Motive.Schon seit dem 19. Jahrhunde

In der ehemaligen DDR war er nicht gern gesehen: der Kalender, der Kindern die Wartezeit bis Heiligabend verkürzen soll. Nur ganz wenige Verlage durften Adventskalender produzieren – möglichst ohne christliche Motive.
Schon seit dem 19. Jahrhundert gehört er zum christlichen Brauchtum in der Adventszeit: der mit unterschiedlichen Motiven bedruckte Pappkalender mit seinen von 1 bis 24 nummerierten Türchen. Diese kalendarischen Adventskalender sollen vor allem Kindern die Wartezeit bis zur eigentlichen Bescherung am 24. Dezember versüßen. Im bis 1990 geteilten Deutschland präsentierte sich bei der Adventskalender-Tradition ein völlig unterschiedliches Bild: Für die Westdeutschen waren sie überall käuflich, in der DDR aber nicht. Denn für den sogenannten real existierenden Sozialismus, ein politisches System mit einer autokratischen Ein-Parteien-Herrschaft und einer Planwirtschaft, stellte der bunt bedruckte Bogen Pappe eine Bedrohung dar, weil er Symbolbild für die christlichen Wurzeln des Weihnachtsfests war. Und das passte nicht in  das verordnete Selbstverständnis des Arbeiter-und-Bauernstaats, so die Kunsthistorikerin Renate Kroll:
 
„Weil er sich eben als atheistisch erklärte und eben das Weihnachtsfest abschaffen wollte. ‚Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein‘ war zum Beispiel so ein Kernspruch dieses Staates. Der hatte natürlich auch nichts mit Weihnachten im Sinn und mit Christgeburt und Erlöser und so weiter. Das war ihm natürlich ganz furchtbar, konnte das aber nicht ganz abschaffen, so von heute auf morgen, weil er dann die ganzen Kirchen gegen sich gehabt hätte.“
 
Die DDR-Führung  glaubte nicht an eine höhere Macht, an einen Gott oder gar einen Sohn Gottes, einen Heiland, jemanden also, der die Menschen von ihren Sünden erlöste: Der Staat erklärte sich für atheistisch. Christen, die offen ihren Glauben praktizieren wollten, hatten im DDR-System keinen Platz. Tat es doch jemand, etwa indem sich ein Jugendlicher gegen die Jugendweihe und für eine Konfirmation entschied, wurde er schikaniert oder verfolgt. Öffentlich gegen den christlichen Glauben vorzugehen, konnte sich die DDR-Führung, so Renate Kroll, allerdings nicht erlauben.
 
Deshalb durften auch Adventskalender produziert werden, die allerdings nicht so genannt werden durften. Stattdessen hießen sie „vorweihnachtliche Kalender“.  Auch bei der Gestaltung setzte sich die atheistische Haltung durch. Die Motive waren weltlich, stellten eine heile Welt dar und erinnerten nicht an den christlichen Ursprung des Weihnachtsfests. So verbarg sich hinter der Tür des 24. Dezembers häufig der Weihnachtsmann statt des Christkinds oder eine Winterlandschaft. Platzhirsch unter den Verlagen war der Berliner Planet-Verlag, der von verschiedenen Künstlern gestaltete Kalender herausgab. Das konnte ein durchaus riskantes Unterfangen sein, sagt Renate Kroll:
 
 
„Denn für die Künstler war das – im Gegensatz zu Westdeutschland – mit ihrer Existenz verbunden. Wer sich zu weit hinauslehnte und christlich so exponierte Dinge schuf, der war für den Staat unmöglich. Der kriegte keine staatlichen Aufträge mehr. Und die Verlage hatten eben das kontingentierte Papier. Also sie konnten nur eine gewisse Anzahl von Künstlern wirklich ernähren. Und für die anderen war es eben ein Wagnis.“
 
Die Künstler durften sich laut Renate Kroll nicht zu weit hinauslehnen beziehungsweise aus dem Fenster lehnen; sie durften ihren Glauben in der Gestaltung eines Kalenders nicht klar zum Ausdruck bringen. Denn wer eindeutig, exponiert, christliche Motive wählte, war für die Staatsführung nicht tragbar, unmöglich, und musste damit rechnen, keine weiteren Aufträge mehr zu erhalten. Da die Verlage nur eine bestimmte Menge an Papier erhielten – sie war kontingentiert –, wurde natürlich abgewogen, welche Künstler beschäftigt wurden.
 
Allerdings bekamen 1973 zwei christliche Verlage, der Oberlausitzer Kunstverlag Ebersbach und der Wartburg Verlag Max Keßler in Jena, dann doch die Erlaubnis, das Christkind und die Heiligen Drei Könige darzustellen. Sie produzierten Adventskalender mit christlichen Motiven, allerdings aufgrund des staatlichen Drucks nur in ganz geringer Stückzahl. Die Motivwahl der Künstler brachte ihre christliche Überzeugung zum Ausdruck, sagt Renate Kroll:
 
„Dass die Künstler die Kinder zur Krippe führen wollten, nicht durch ’ne Stadt an möglichst vielen Geschenkebuden vorbei, sondern zur Krippe. Es wurde der Weg nach Bethlehem thematisiert – der eigene Weg des Kindes, also was kann ich jetzt tun, um den Heiland zu empfangen. Und man konnte dann an allen möglichen Stellen diesen Kalender aufmachen und sah dann, was jeder so mitbrachte zur Kirche, zum Christkind, was er ihm schenken wollte.“
 
Anders als bei den weltlich geprägten Adventskalendern, wo Kinder etwa an Verkaufsständen, Buden, vorbeilaufen, standen für die christlich geprägten Künstler Motive im Vordergrund, die mit der Advents- und Weihnachtszeit zu tun haben. Dazu gehört beispielsweise das Motiv der Krippe, dem Stall in Bethlehem im damaligen Judäa, dem heutigen Westjordanland. Zur Krippe gehören unter anderem das neugeborene Jesuskind, seine Eltern Maria und Josef, sowie ein Ochse und ein Esel. Einer von Renate Krolls Lieblingskünstlern ist der Maler und Grafiker Helmut Rudolph:
 
„Man merkt eben seinen Sachen richtig an, dass er seine Kinder nicht in diesem atheistischen Staat Atheisten werden lassen wollte, sondern dass er sie bei der Hand nahm und zur Krippe führte. Und das hat er jedes Jahr mit einem anderen Thema versucht, zum Beispiel ganz beliebt in der Familie ist der ‚Adventsgarten‘. Da hat er die Bibel konsultiert und Pflanzen rausgeschrieben, die in der Weihnachtsgeschichte vorkommen und hat diese in diesen Garten eingebaut. Wenn man eben an einem bestimmten Tag das Türchen öffnete, dann sah man dahinter eben die Pflanze und die Bibelstelle. Und es war richtig etwas, um die Kinder zu bilden, um denen das geistige Rüstzeug zu geben.“
 
Die von Helmut Rudolph gestalteten Adventskalender hatten einen pädagogischen Ansatz: Sie sollten, so Renate Kroll, Kindern in Religionsfragen ein geistiges Rüstzeug geben, Kenntnisse und Wissen vermitteln über Dinge, die für ihr künftiges Leben wichtig sind. Er nahm sie so im übertragenen Sinn an die Hand, leitete sie. Ein Beispiel ist für Renate Kroll der Kalender „Adventsgarten“. Dort sind die Heiligen Drei Könige zu sehen, die sich – geleitet vom Stern aus dem Morgenland – mit Geschenken einer Kirche nähern. Diese steht inmitten von Pflanzen, die in den biblischen Erzählungen zur Geburt Jesu, der Weihnachtsgeschichte, vorkommen. Wer ein Türchen öffnet, findet dahinter die passende Stelle in der Bibel, wo die Pflanze erwähnt wird.
 
Genau betrachtet ist die Entwicklung der Adventskalender im geteilten Deutschland eigentlich doch nicht so verschieden gewesen: Denn die Entwicklung weg vom christlichen Motiv, die früher in der DDR ideologisch begründet war, breitete sich auch in Westdeutschland aus – bis hin zur rein kommerziellen Ausprägung im wiedervereinigten Deutschland.

Adventskalender in der DDR
Bescherung (f., nur Singular) — hier: das Austeilen und Auspacken der Geschenke an Weihnachten
 
autokratisch — so, dass jemand (z.B. eine Person/ein Staat) allein unkontrolliert Macht ausübt
 
Planwirtschaft (f., nur Singular) — eine Wirtschaftsordnung, in der eine zentrale Stelle den gesamten wirtschaftlichen Prozess nach bestimmten Zielvorstellungen plant, lenkt und verwaltet
 
Arbeiter- und Bauernstaat (m., nur Singular) — hier: die Selbstbezeichnung der Deutschen Demokratischen Republik für ihren Staat
 
Jugendweihe, -n (f.) — eine typisch ostdeutsche Feier, bei der Jugendliche, die nicht in der Kirche sind, den Beginn des Erwachsenenalters feiern
 
Konfirmation, -en (f.) — eine Feier der evangelischen Kirche, bei der Jugendliche in die Gemeinschaft der erwachsenen Christen aufgenommen werden
 
jemanden schikanieren —  jemandem durch bestimmte Maßnahmen Schwierigkeiten bereiten; quälen
 
Platzhirsch, -e (m.) — umgangssprachlich für: jemand, der in einem Bereich führt
 
ein riskantes Unterfangen sein — umgangssprachlich für gefährlich sein
 
etwas ab|wägen — mehrere Möglichkeiten vergleichen und sorgfältig prüfen
 
Oberlausitz (f.) — eine Region im Osten Deutschlands

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1. Die DDR war gegen Religion, da sie …
 
 a) eine konkurrierende Struktur zum Staat darstellte. 
 b) die Menschen zu sehr vom Staat ablenkte.
2. Die Kunsthistorikerin Renate Kroll erinnert sich, dass …
 
 a) die Regierung der DDR Schritt für Schritt den Einfluss der Kirche verringern wollte. 
 b) die Konfirmation verboten und dafür die Jugendweihe flächendeckend eingeführt wurde.
3. Religiöse Begriffe …
 
 a) wurden genauso wie religiöse Praktiken und Bräuche verboten. 
 b) waren in der DDR verpönt und wurden durch eine andere Wortwahl ersetzt.
4. Der Papiermangel in der DDR führte dazu, dass …
 
 a) sich viele Künstler bei ihrem Schaffensprozess zurückhielten und gehorsam waren. 
 b) viele DDR-Künstler rebellierten und öffentlich für ihre Rechte als Künstler eintraten.
5. Dem Maler und Grafiker Helmut Rudolph …
 
 a) bedeutete Religion und damit auch das Weihnachtsfest der Geburt Jesu sehr viel. 
 b) gefiel die Idee, auch weltliche Motive zu malen, weil sich seine Adventskalender dann besser 
 
答案 a)a)b)a)a)
 
 
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 a) Planwirtschaft 
 b) Arbeiter- und Bauernstaat 
 c) Kirche 
 d) DDR 
 e) Sozialismus 
 f) Einheitspartei
 a) Advent 
 b) Weihnachten 
 c) Geburt Jesu 
 d) Atheismus 
 e) Krippe 
 f) Heiland
 a) Verbot 
 b) Verlag 
 c) Produktion 
 d) Stückzahl 
 e) Autor 
 f) Medien
 a) jmd. schikanieren 
 b) gegen jmd. vorgehen 
 c) jmd. bestrafen 
 d) jmd. unterdrücken 
 e) jmd. einschränken 
 f) jmd. aufmuntern
 a) deutlich 
 b) unscheinbar 
 c) offenkundig 
 d) eindeutig 
 e) in aller Klarheit 
 f) herausgehoben
 
答案c) d) a) f) b) 
 
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